AS ist nicht leichter/milder

  • Hallo,


    bei mir ist es oft so, das mir durch das Kompensieren meine Schwierigkeiten abgesprochen/verharmlost werden.


    Weil ich eben nicht so auffällig behindert/eingeschränkt wirke. Aber warum urteilen andere Menschen überhaupt darüber?


    Nur weil Schwierigkeiten nicht sofort offensichtlich sind, muss es nicht sein das man deshalb auch keine hat.


    Ich bin wegen dem Artikel darauf gekommen: https://www.enableme.de/de/art…unsichtbare-autismus-1975


    Zwar habe ich beispielsweise keine geistige Behinderung. Aber das man mit AS automatisch weniger/leichter eingeschränkt ist, stimmt doch auch nicht.


    Es ist einfach anders als andere Autismus Varianten, aber nicht automatisch milder/leichter. Kann man das so beschreiben?


    Wie seht ihr das?


    LG Pixel.

  • Also ich bin ziemlich eingeschränkt und habe keine geistige Behinderung. Mir sieht man es auch an. Im Maskieren bin ich nicht gut.

    Allerdings ist das immernoch Welten entfernt von niedrigfunktionalen geistigeingeschränkten Autisten.

    Vergleiche mit anderen Behinderungen, und das sind LFA in meinen Augen, bringen einfach nichts, auch wenn sie ähnlich sind.


    Jemand mit 10% Sehkraft sieht auch mehr als jemand mit 0% Sehkraft. Schatten sind ja auch was.

    Trotzdem wird dem 10%-Sehkraft-Behinderten niemand die Einschränkungen absprechen, und afaik zählen die auch als blind. Bei jemandem mit 80% Sehkraft sieht das ganz dann anders aus.

    So ist auch bei Autismus. Jeder steht an seinem Punkt im Spektrum und hat seine eigenen Einschränkungen. Nur irgendwann reichen die halt nicht mehr aus für eine Positivdiagnose, aber dann ist es auch kein Autismus.

    So wie Status "blind" ab einer bestimmten Sehfähigkeit einfach nicht mehr gegeben ist.

    Hohe Zahlen bei der Editierungsanzeige zeigen nicht, dass ich permanent meine Meinung ändern würde. Ich habe nur Probleme Rechtschreib- und Grammatikfehler zu tolerieren und korrigiere diese daher, wenn ich sie sehe. Dennoch kann auch ich Tippfehler übersehen. In diesem Fall bitte ich um Nachsicht.

  • Worum geht es dir dabei? Die Akzeptanz in deinem Umfeld?


    Es ist oft von außenstehenden (Behörden-Mitarbeiter, Therapeuten, etc.) so, das darüber dem entsprechend geurteilt wird.


    Wenn man z.B. Hilfen beantragt, und sich bei dem Mitarbeiter rechtfertigen soll, das man die Hilfe braucht.


    Und dadurch aber beispielsweise der Hilfsbedarf angezweifelt wird. Nur weil man in dem Momennt vielleicht so wirkt.


    Oder von einer Therapeutin "Sie wirken ja gar nicht autistisch" Ich weiß nicht, was die für Vorstellungen über Autismus hatte.


    Es geht mir darum, mich dafür rechtfertigen müssen bei Leuten, die unnötig oberflächlich urteilen.


    LG Pixel.

  • Pixel : Im Prinzip kann ich das, was du beschreibst, gut nachvollziehen.

    Was ich nicht verstehe ist, dass du doch eine positive Diagnose erhalten hast. Da muss es doch ein Schreiben geben, das deine Einschränkung belegt.

    Die Ausprägung lässt sich, darauf aufbauend, doch dann im Einzelfall klären.

    Oder von einer Therapeutin "Sie wirken ja gar nicht autistisch"

    Erkennt diese deine Diagnose nicht an??

    Ich bin selten nachtragend, ich kann mir nur vieles merken ;)

  • bei mir ist es oft so, das mir durch das Kompensieren meine Schwierigkeiten abgesprochen/verharmlost werden.

    Das ging mir auch oft so. Deswegen versuch ich mir dieses Maskieren wieder abzugewöhnen. Wenn die Leute merken, dass ich anders als sie bin, nehmen sie meine Einschränkungen gleich viel ernster.


    Es ist einfach anders als andere Autismus Varianten, aber nicht automatisch milder/leichter. Kann man das so beschreiben?

    Nein, nicht wirklich. Nicki's Cousin ist Kanner-Autist und das ist definitiv viel schwerwiegender als Asperger. Der hat einen unbefristeten GdB von 100 samt Merkzeichen aG, H, B und auch noch Gl (wobei Nicki an Letzterem allerdings stark zweifelt). Der lebt in seiner ganz eigenen Welt und man findet nur sehr schwer und mit viel Glück für kurze Zeit Zugang zu ihm. Die normale Welt und andere Menschen (da reicht mitunter schon der Anblick anderer Menschen, um ihn völlig ausrasten zu lassen) stressen den massiv. Wo ich als Aspie nicht mal einen Overload bekomme, da hat der schon längst einen Meltdown.

    Touch not the cat bot the glove

  • Zwar habe ich beispielsweise keine geistige Behinderung. Aber das man mit AS automatisch weniger/leichter eingeschränkt ist, stimmt doch auch nicht.


    Es ist einfach anders als andere Autismus Varianten, aber nicht automatisch milder/leichter. Kann man das so beschreiben?


    Wie seht ihr das?

    Es gibt Autisten, die könnten nicht mal hier im Forum schreiben. Eben die Autisten, die man eben als Autisten kennt. Verglichen damit ist Asperger eine milde Form. Darum heißt es ja auch Asperger-Syndrom, damit man es vom klassischen Autismus besser unterscheiden kann.


    Oder von einer Therapeutin "Sie wirken ja gar nicht autistisch" Ich weiß nicht, was die für Vorstellungen über Autismus hatte.


    Es geht mir darum, mich dafür rechtfertigen müssen bei Leuten, die unnötig oberflächlich urteilen.

    Das könnte ja auch ein Versuch eines Komplimentes oder einfach nur eine Feststellung gewesen sein. Meine Ärztin hat es auch mal gesagt. Ein paar Momente später hat sie von sich aus angesprochen, dass der GdB bei mir evtl. erhöht werden könnte, um doch die eine oder andere Erleichterung zu erhalten.

    Ich bekomme regelmäßig gesagt, dass ich gar nicht sächsisch wirke, obwohl ich da geboren wurde. Das nehme ich völlig emotionslos zur Kenntnis, es ist eine Feststellung.

  • Erkennt diese deine Diagnose nicht an??


    Meine Vermutung ist, das es vielleicht von ihr positiv gemeint war. So smalltalk mäßig.


    Das ging mir auch oft so. Deswegen versuch ich mir dieses Maskieren wieder abzugewöhnen.


    In welchem Ausmaß?


    Mir würde es sicher Authentizität bringen, wenn ich beim nächsten Landratsamt Gespräch einen Meltdown rauslasse.


    Das könnte ja auch ein Versuch eines Komplimentes oder einfach nur eine Feststellung gewesen sein.


    Wie wirkt denn jemand, der "autistisch wirkt"? Ich denke so eine Aussage ist entweder unnötig oder unbedacht.


    LG Pixel.

  • Wie wirkt denn jemand, der "autistisch wirkt"?

    Beim Großteil der Normalbevölkerung immer noch wie in Filmen a la rain man oder mercury puzzle.

    Ja, aus unserer Sicht ist es unnötig oder unbedacht. Das bedenken oder wissen nur die wenigsten NT.

  • In welchem Ausmaß?

    Naja, soweit es möglich ist, ohne anderen Menschen all zu sehr vor den Kopf zu stossen, bzw. ihre Gefühle zu verletzen. Ich schlag z. B. Einladungen von den Nachbarn zur "Abendvisite" (da besuchen sich die Nachbarn abends im Winter gegenseitig reihum; das sind dann so ein knappes Dutzend Leute, die für sechs bis sieben Stunden zusammensitzen und klönen) aus und erklär ihnen, dass mir das zu viel ist, ich gegen einen Kaffee unter vier, bzw. sechs Augen aber nichts einzuwenden hätte. Und ich geb auch nicht mehr Hand, sondern nutz einfach die Namaste-Grussgeste (wobei sich da in Corona-Zeiten eh keiner drüber wundert) und zwing mich auch nicht mehr zum Augenkontakt. Ebenso unterdrück ich Ärger (weil z. B. ein Termin nicht eingehalten wurde) oder Freude (über z. B. den ersten Schmetterling im Jahr oder Schneefall) nicht mehr, sondern zeig das. Auch, wenn ich dadurch kindisch wirk. Ich gesteh mir einfach zu, so zu sein, wie ich in Wirklichkeit bin und richte mich nicht mehr danach, was andere für ein Verhalten von mir erwarten würden. Und das tut echt gut.

    Touch not the cat bot the glove

  • Einladungen von den Nachbarn zur "Abendvisite" (da besuchen sich die Nachbarn abends im Winter gegenseitig reihum; das sind dann so ein knappes Dutzend Leute, die für sechs bis sieben Stunden zusammensitzen und klönen)

    Das klingt nach einem Albtraum. Wie gut, dass es das in meiner Gegend nicht gibt. Ich habe ja auch mal auf einem Dorf gewohnt. Bei sowas wäre ich schreiend davon gerannt :rolling_on_the_floor_laughing:


    Und ich geb auch nicht mehr Hand, sondern nutz einfach die Namaste-Grussgeste (wobei sich da in Corona-Zeiten eh keiner drüber wundert) und zwing mich auch nicht mehr zum Augenkontakt.

    Das habe ich tatsächlich noch nie gemacht. Als Kind wurde ich zum Händeschütteln gezwungen aber das merkte man auch deutlich. Und das mit "Schau mich gefälligst an wenn ich mit Dir rede!" Augenkontakt gemeint ist habe ich erst im Rahmen der Diagnostik kapiert.

    Hat mir ja nie jemand erklärt.


    Ebenso unterdrück ich Ärger (weil z. B. ein Termin nicht eingehalten wurde) oder Freude (über z. B. den ersten Schmetterling im Jahr oder Schneefall) nicht mehr, sondern zeig das.

    Auch das habe ich noch nie unterdrückt. Ich habe nur Weinen und Schreien versucht zu unterdrücken und bin meistens dabei gescheitert. :/

    Hohe Zahlen bei der Editierungsanzeige zeigen nicht, dass ich permanent meine Meinung ändern würde. Ich habe nur Probleme Rechtschreib- und Grammatikfehler zu tolerieren und korrigiere diese daher, wenn ich sie sehe. Dennoch kann auch ich Tippfehler übersehen. In diesem Fall bitte ich um Nachsicht.

  • bei mir ist es oft so, das mir durch das Kompensieren meine Schwierigkeiten abgesprochen/verharmlost werden.

    Das kenne ich leider auch zur Genüge. Mir wurde auch schon unterstellt, ich würde mich auf der Diagnose nur ausruhen und hätte nur ein Problem, nämlich erlernte Hilflosigkeit. :rolleyes:


    Weil ich eben nicht so auffällig behindert/eingeschränkt wirke. Aber warum urteilen andere Menschen überhaupt darüber?

    Weil Menschen alles in irgendeine Schublade stecken und es einordnen müssen. Und alles, was nicht in die Schublade passt, in der sie sich befinden, ist aus Prinzip schon mal suspekt. :|


    Es ist einfach anders als andere Autismus Varianten, aber nicht automatisch milder/leichter. Kann man das so beschreiben?

    Nein. Verglichen mit meinem Cousin, der Kanner-Autist ist, sind wir noch gut dran. Ich stell es mir furchtbar vor, wenn einen die bloße Anwesenheit von Menschen schon so in die Verzweiflung treibt, dass man sich selbst blutig schlägt. =O


    Und dadurch aber beispielsweise der Hilfsbedarf angezweifelt wird. Nur weil man in dem Momennt vielleicht so wirkt.

    Ja, sowas ist echt blöd. Ich habe das Problem mit dem Sachbearbeiter beim Sozialamt. Der nimmt meine Behinderung auch einfach nicht ernst, weil ich wohl nicht so autistisch wirke, wie er es von einem Autisten erwartet. :(

  • Als Kind wurde ich zum Händeschütteln gezwungen

    Das zum Glück nicht, aber meine Eltern haben immer Wert auf gutes Benehmen gelegt und dazu gehörte dann halt auch Hand geben und Augenkontakt. Sie haben mir halt erklärt, dass man das so macht, also hab ich das auch so gemacht, auch wenn ich damals nie einen Sinn dahinter gesehen hab. Den seh ich da heute übrigens auch noch nicht hinter. Man kann sich doch auch anders begrüssen als durchs gegenseitige Drücken des (im schlimmsten Falle feucht-kalten) Patschehändchens.


    Auch das habe ich noch nie unterdrückt.

    Ich schon. Weil ich als Teenager deswegen ausgelacht worden bin und man mir gesagt hat, mein Verhalten wär kindisch und dumm. Dabei tut das doch so gut, seine Gefühle einfach mal rauszulassen. Besonders, wenn es Freude ist. Die verstärkt sich dadurch nämlich. Ausserdem wirkt Freude auch ansteckend. So wie bei KlarissaKunst ; jedes mal, wenn sie vor Freude durchs Forum hopst, freu ich mich irgendwie mit. 🙂

    Touch not the cat bot the glove

  • Ich finde das sehr schwierig zu beurteilen, ob AspergerAutismus (oder wie auch immer das jetzt genannt wird) leichter ist, als die anderen Varianten. Ich denke da an einen Artikel in Autismus-Kultur, den ich jetzt natürlich auf die Schnelle nicht finde. Da berichtet ein hochfunktionaler Autist von seinen Problemen im Leben der neurotypischen Welt mit Sorgen, Depressionen und Erschöpfung und dem im Vergleich dazu glücklichen Leben seines low-funktionalen Bruders in der beschützten Umgebung einer offenbar guten betreuenden Einrichtung.

    Ich selber bin ja scheinbar jahrzehntelang gut durch die „normale“ Welt gekommen, mit einem geachteten Beruf, der viel Kommunikation erfordert und den ich rund 20 Jahre in Vollzeit ausgeübt habe - bis zum ersten Burn-Out. Und jetzt geht kaum noch etwas „normal“. Mein Autismus ist richtig voll durchgekommen und ist echt eine Behinderung (im Moment stehe ich bei einem GDB von 40% noch aus dem Jahr 2017, gerade versuche ich nochmal, wenigstens auf 50% zu kommen). Nicht einmal mehr Einkaufen ohne Overload, trotz ANC In Ears etc. Ohne meine Frau bräuchte ich inzwischen vermutlich irgendeine Unterstützung von außen. Aber es hat Jahre gedauert, bis ich mir meine Umgebung so schaffen konnte, dass ich halbwegs klarkomme. Da ist aber kaum noch etwas von den üblichen Tagesabläufen eines gesunden NTs drin, keine Besuche, keine Gespräche über längere Zeit (= maximal 90 Minuten) und schon gar nicht mit mehr als zwei weiteren Menschen, maximal zwei Termine pro Woche etc. Und natürlich kamen anfangs die wohl üblichen Sprüche „Du bist doch kein Autist“ „Aber Du kannst doch lächeln“.… Ich glaube, die Schwierigkeit für die hochfunktionalen Autisten liegt darin, dass erwartet wird, dass wir klaglos in der NT-Welt klarkommen und eben doch funktionieren. Vielleicht ist das aber auch nur ein Problem der Spätdiagnostizierten. Jedenfalls ist das etwas, mit dem sich die stärker betroffenen Autisten nicht rumquälen müssen. Was jetzt aber nicht heißt, dass ich meine, sie hätten es leichter. Nur eben anders.

  • Und natürlich kamen anfangs die wohl üblichen Sprüche „Du bist doch kein Autist“ „Aber Du kannst doch lächeln“

    Werden deine Einschränkungen in deinem Umfeld mittlerweile akzeptiert bzw. sogar anerkannt?

    Ich bin selten nachtragend, ich kann mir nur vieles merken ;)

  • Werden deine Einschränkungen in deinem Umfeld mittlerweile akzeptiert bzw. sogar anerkannt?

    Nun ja - im Grunde schon. Meine Kollegen haben es dann recht schnell und gut akzeptiert. Allerdings nicht in meiner ursprünglichen Arbeitsstelle, da gab es stattdessen Mobbing, sondern erst nach einer gezielten Versetzung. Da wurde auch sofort das Dezernat angepasst, kein Publikumsverkehr, wenig Besprechungen, nur Schreibtischarbeit und nach einer Teilpensionierung auch reduzierte Stunden. Meine Eltern taten sich schwer und so ganz ist es noch nicht angekommen. Meine Mutter will ständig Umarmungen, seit Corona vorbei ist. Puh. Und auch das mit den nur kurzen Besuchen gefällt ihr nicht so richtig. Meine Stiefsöhne: einer kann gut damit umgehen, der andere tut sich schwer, löst das Problem durch ignorieren des Themas. Meine Frau: sofort und gar kein Problem - außer die üblichen Sachen, wenn man halt mit nem Aspie zusammenlebt und die Übersetzung gerade nicht klappt (weil der Babbelfisch schläft ;) *Spaß*) Und mehr Umgebung ist eigentlich nicht. Meine jetzigen Ärzte akzeptieren es, weil es fast alles neue Ärzte sind, die mich nicht anders kennen. Meine Therapeutin hat mich durch die ganze Zeit begleitet und unterstützt, coacht mich immer noch. Auch kein Problem. Also eigentlich habe ich da Glück - aber es sind halt auch nicht mehr viele, mit denen es Probleme geben könnte.

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